69118 Heidelberg, den 10. Februar 2003
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Fax: 89 09 39
www.stanomir.de
An den
Vorsitzenden
des Petitionsausschusses
des Landtages von Baden-Württemberg
Konrad-Adenauer-Straße 3
70173 S t u t t g a r t
Sehr geehrter Herr Döppner, sehr geehrte Damen und Herren,
vor dem Hintergrund der zunehmenden Langzeitarbeitslosigkeit überqualifizierter Akademiker und der damit verbundenen sozialen und existentiellen Probleme wende ich mich hoffnungsvoll an Sie, und schildere Ihnen einen Fall offensichtlicher Missachtung geltender arbeitsrechtlicher Bestimmungen, die nicht nur in mir den Glauben an den sozialen Rechtsstaat erschüttern, sondern auch den Menschen aus meinem Bekanntenkreis und aus meinem gesellschaftlichen Umfeld. Zugleich weise ich auf eine bewußte Vergeudung öffentlicher Gelder hin, die in Kauf genommen worden ist.
Seit über dreißig Jahren lebe ich in der Bundesrepublik Deutschland (geboren 1949 in Kronstadt / Braşov, Rumänien) und bin seit über zwanzig Jahren Bürger dieses Landes. Mein Studium (Germanistik und Philosophie) habe ich 1975 an der Westfälischen Wilhelms-Univer-sität in Münster beendet. Danach kam ich nach Heidelberg, wo ich seitdem lebe. Dank eines Promotionsstipendiums nach dem Graduiertenförderungsgesetz (GFG) habe ich mich an der hiesigen Universität mit einem literatur- bzw. theaterwissenschaftlichen Thema in Romanistik, Schwerpunkt Rumänistik spezialisiert und im Januar 1979 den Grad eines Doktors der Philosophie erworben.
Nach einer einjährigen Tätigkeit als Deutschlehrer an einem Privatgymnasium (1977-1978) bot mir der Sprachwissenschaftler Prof. Johannes Hubschmid die Möglichkeit, an dem Projekt eines etymologischen Wörterbuches der rumänischen Sprache mitzuarbeiten (es sollte von der DFG und vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert werden). Zugleich beabsichtigte ich, mich weiter wissenschaftlich zu qualifizieren; ich strebte die Habilitation im Fach Romanische Philologie an. Deshalb nahm ich am Lehrstuhl von Prof. Rupprecht Rohr in Mannheim einen Lehrauftrag für Rumänische Sprache und Literatur an. Meine didaktischen Fähigkeiten wurden von einer Kommission des dortigen Dekanates der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaft positiv begutachtet. Die Ausweitung meiner Forschungsarbeit von der Literatur- zur Sprachwissenschaft hin ermutigte mich, meinen Horizont zusätzlich zu erweitern: Ich stellte mich dem Thema „Die Exilzeit und der Tod des rumänischen Klassikers Ion Luca Caragiale in Berlin“. Diese Arbeit erforderte es, über das Studium der Geschichte der Gründer- und Wilhelminischen Zeit hinaus, fachübergreifend die Standards der Soziologie, Migrations- und Mentalitätsforschung und deren Anwendung in Bereichen des Kulturtransfers zu vertiefen.
Durch Vermittlung des Arbeitsamtes Heidelberg war ich als sogenannter „Seiteneinsteiger“ Mitarbeiter des Stadtarchivs in Heidelberg (1988/1989: ich habe die historische Lehrerbibliothek des Kurfürst-Friedrich-Gymnasiums für die Universitätsbibliothek katalogisiert) und Stadtarchivar in Neckargemünd (1992 - 1994), eine Gelegenheit, meine Studien auch in der pfälzischen, badischen bzw. seit 1945 südwestdeutschen Geschichte auszuweiten und praktisch anzuwenden.
Als im Januar 1995 Prof. Johannes Hubschmid unerwartet starb, war ich mit dem Lehr- und Forschungskörper des Romanischen Seminars fachlich und menschlich überaus intensiv verbunden. Kurz nach dem Tod von Prof. Hubschmid ging der damalige Lektor für Rumänische Sprache und Literatur des Instituts in Rente. Ich setzte auf eine öffentliche Ausschreibung dieser begehrten Stelle. Ich hoffte auf einen akademischen Wettstreit, zumal es damals etliche arbeitslose Romanisten aus der früheren DDR gab, die ähnlich gut Rumänisch hätten lehren können, auch wenn sie keine Muttersprachler waren. Zu meiner Verwunderung und Enttäuschung wurde die Stelle jedoch in der letzten Woche des Sommersemesters 1995 an einen Herrn Gelu Ionescu vergeben. Er konnte eine rumänische Promotion vorweisen, aber nur bedingt deutsch sprechen. Dass dies für einen modernen, fachübergreifenden Unterricht nicht von Vorteil ist, scheint mir offensichtlich. Die Personalentscheidung wurde leider im Verborgenen getroffen; nämlich bei einem Besuch des rumänischen Botschafters. Ich wurde übergangen – mein Mentor, Prof. Dr. Hubschmid, war tot und viele seiner Kollegen schon in den Ferien oder mit Klausuren beschäftigt. Ich aber musste mich damit abfinden und nach einer anderen Arbeit suchen. Mit zunehmendem Alter (ich bin 54 Jahre alt) wird dies immer schwieriger. Nur für kurze Zeit fand ich mithilfe des Arbeitsamtes Beschäftigung im Deutsch-Amerikanischen Institut. Daneben war ich – mit großer Freude – ohne Arbeitsvertrag und ohne Bezahlung am hiesigen Jugendtheater in der Spielzeit 1998/99 tätig. .
Nun ging der oben genannte Lektor, Herr Ionescu, im Juni 2002 in Rente – und wieder sollte nichts nach außen bekannt werden. Da ich im letzten Sommer an einer Studie zur Lage des rumänischen Theaters nach der Wende arbeitete, erfuhr ich durch Zufall davon und wurde sofort bei dem geschäftsführenden Direktor des Romanischen Seminars vorstellig, dem ich mein berechtigtes Interesse für die freigewordene Lektorenstelle bekundete. Weiter erfuhr ich, dass der Emeritus Prof. Heitmann wieder jemanden aus Rumänien für die Stelle vorgesehen hatte. Am Tag danach wandte ich mich an meine Betreuerin vom Arbeitsamt. Sie versicherte mir, dass eine hochqualifizierte Stelle nach den gesetzlichen Bestimmungen nur dann an einen ausländischen Arbeitnehmer vergeben würde, wenn dafür kein geeigneter deutscher Bewerber bzw. ein Staatsbürger aus der Europäischen Gemeinschaft vorhanden sei.
Im September 2002 kam ein junger Kollege aus Rumänien, der vorerst nicht auf die freie Stelle angestellt werden konnte, wohl aus dem von der Sachbearbeiterin des Arbeitsamtes genannten Grund. Zu meiner großen Verwunderung wird er seit Januar 2003 auf der Internetseite des Seminars angekündigt.
Deshalb erlaube ich mir, mich hoffnungsvoll an Sie zu wenden. Soll der Kulturtransfer darin bestehen, dass sich postkommunistische Gepflogenheiten im Verborgenen nun auch im demokratischen Deutschland breitmachen? Für junge Wissenschaftler gibt es sehr viele Möglichkeiten, ihre Studien in Deutschland weiterzuführen, für junge Wissenschaftler aus Osteuropa sogar besonders gute. Ich verfüge demgegenüber über eine reiche Erfahrung in diesem Beruf und habe mir eine kritische Perspektive über Jahre erarbeitet, die die gesamte Forschung in Deutschland und in Rumänien seit Mitte der sechziger Jahren impliziert, wie ich sie mir in einem freien Land und nicht unter ideologischen Schranken aneignen konnte. Dass im gegenwärtigen Rumänien immer noch versucht wird, so etwas mundtot zu machen, erklärt sich aus der leider widerspruchsvollen Öffnung dieses Landes zu einer tatsächlichen Demokratie. Aber muss dies auch für die älteste deutsche Universität gelten?
Ich hoffe sehr, es ist mir gelungen, Ihnen die zweifelhaften Verflechtungen verständlich dargestellt zu haben. Noch mehr erhoffe ich mir, Sie können mir zu meinem Recht verhelfen. Der Staat versucht gerade gegenwärtig so gut zu sparen, wie er nur kann. In diesem Fall hätte man einen Ausgabenposten und mich aus der Arbeitslosenstatistik streichen können. Für Ihre Aufmerksamkeit beim Lesen dieser Zeilen danke ich Ihnen sehr und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihr
P.S. Mit der oben erwähnten Studie zur Lage des rumänischen Theaters nach der Wende habe ich im Übrigen die Forschungsergebnisse meiner Promotion auf den gegenwärtigen Stand gebracht. Die Studie ist seit September 2002 auf meiner Homepage (www.stanomir.de) und seit Januar 2003 in der Wochenschrift „Karpatenrundschau“ (Kronstadt, Jg. XLVII / 1 – 2691 ff.) veröffentlicht.
Seit Beginn des Jahres 2003 arbeite ich an einem Aufsatz für das „Jahrbuch für europäische Prozesse“ (www.iablis.de). Der Aufsatz soll noch im Frühling des Jahres im Internet und im Herbst d.J. dann in Buchform veröffentlicht werden (Arbeitstitel: Camil Petrescus Erfolge und Niederlagen. Ein kritisch-dramatischer Blick auf die rumänische Öffentlichkeit 1912-1998). Der Erfolg meines letzten Aufsatzes hat mich dazu angespornt, meine Vorarbeiten zu I.L.Ca- ragiales Exil im Wilhelminischen Deutschland demnächst zu publizieren.
Anlagen:
Lebenslauf
Publikationsliste
Kopie des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
Kopie der Einbürgerungsurkunde – Heidelberg 1983
Kopie der Bescheinigung des Prüfungsamtes – Münster 1974
Kopie des Zeugnisses über die Erste Philologische Staatsprüfung – Münster 1975
Kopie des Promotionsurkunde – Heidelberg 1979
Aufsatz: „Rumänien – Theater und Dramatik in neuer Kulisse nach 1989“